an•ge•sprochen II: Einmal Jamaika und zurück

Der Flug nach Jamaika verspätet sich, ja womöglich hebt er gar nicht ab – so die aktuelle Zustandsbeschreibung der Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen. Während zwischen den Ersteren zumindest auf semantischer Ebene Verständnis zu bestehen scheint, geben sich die Grünen radikal und uneinsichtig. Sie wollen wirklich umsetzen was sie ihren verwöhnten Wählern aus Wolkenkuckucksheim versprochen haben. Sie haben noch nicht verstanden, dass die notwendige Bedingung, für das Gelingen einer Jamaika-Koalition, das “Über-den-Tisch-ziehen” mindestens einer der Koalitions-Partner ist. Jamaika wird entweder ein Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Projekt. Damit ist es für mindestens eine der an der Koalition beteiligten Parteien ein Bruch mit der eigenen Basis.

König Horst I. von Bayern hat sich im Angesicht seiner bevorstehenden Abdankung bereits demütig in Muttis Willen gefügt. Die Vernichtung, welche der CSU an den Urnen der kommenden Bayernwahl bevorsteht, scheint ihn nicht mehr länger zu tangieren – zu unausweichlich scheint sie und sein sich anschließender Abgang. Sein Thronfolger Söder hält Schaufel und Feger zum Zusammenkehren schon bereit, doch solange Seehofer den königlichen Stuhl Ludwigs II. warm hält, ist Merkel die Gefolgschaft der CSU noch sicher.

Den heutigen Spitzen der Freien Demokraten sind die Koalitionsverhandlungen zur schwarz-gelben Koalition der Merkel II-Regierung im Jahre 2009 und die traumatischen Folgen bei der folgenden Bundestagswahl 2013 noch lebhaft in Erinnerung. Die FDP will sich diesmal nicht von der macht-bewussten uckermärkischen Pastorentochter über den Tisch ziehen lassen. Besser als ein schlechter Deal, ist gar kein Deal, scheint diesmal die vorherrschende Überzeugung unter den Liberalen zu sein. Bevor die FDP sich also von Merkel erneut in eine unangenehme Lage manövrieren lassen muss und in der Folge  einen herben und womöglich finalen Gesichtsverlust erleidet, wählt sie lieber die Oppositionsrolle. Damit sind die Frei-Demokraten in Sachen Kompromissbereitschaft wohl kaum Muttis Lieblingskinder.

Es verbleiben daher einzig die ebenso ideologisch gefestigten wie argumentativ bornierten Grünen als potenzielles Ziel für Merkels Einlullungskünste. Trotz der inzwischen geradezu fühl-, riech- und schmeckbaren politischen Nähe Merkels zur selbsterklärten “Gutmenschenpartei”, verkompliziert die mangelnde Kompromissbereitschaft der Grünen die Sondierungsgespräche doch erheblich. Wie unter solchen Bedingungen erfolgsversprechende Koalitionsverhandlungen stattfinden sollen, steht in den Sternen.

Mit der konsequenten (und bewundernswerten) Verweigerungshaltung der SPD laufen damit Merkel die Optionen davon. Sie hat sich mit der durch sie angestoßenen tektonischen Verschiebung der Union von Mitte-Rechts nach Mitte-Links in eine Sackgasse laviert. Die Stimmgewinne links der Mitte reichten bei der Wahl zumindest dafür aus, dass die Stimmenverluste Rechts der Mitte den Eisberg CDU nicht haben umschlagen lassen.  Zu mehr als dem Minimalziel, der Unmöglichkeit gegen die Union eine Regierung zu bilden, hat es aber nicht gereicht. Die Liste von Merkels Anhängern schrumpft und ihr Wahlsieg könnte zum Pyrrhussieg werden, wenn nicht nur gegen die Union keine Regierung gebildet werden kann, sondern überhaupt keine Regierung gebildet werden kann. Aus Neuwahlen geht nicht unbedingt die Union als Verlierer hervor, aber in jedem Fall Frau Dr. rer. nat. Merkel. Denn eine rechnerische Option gibt es noch, die unter der merkelschen Ägide politisch unmöglich scheint: Bermuda (Schwarz, Gelb, Blau). Ob für eine solche Konstellation das Rad der Zeit schon weit genug gedreht ist bleibt fraglich, aber andererseits stemmen sich die Merkelanhänger auch mit aller Kraft gegen dessen Rotation. Welcher Ruck durch dieses Rad gehen wird, wenn dieser Stein im Getriebe entfernt wird, bleibt abzuwarten.

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